Varethor
Die Weiße Metropole
Wenn die Sonne über der Steppe aufgeht und das erste Licht über die goldenen Gräser streicht, glüht am Horizont ein weißer Schimmer auf – wie ein ferner Stern, der in Stein gefasst wurde.
Das ist Varethor, die Stadt der Fürsten, das Herz Elenars.
Ihre Mauern aus hellem Stein leuchten selbst im Dämmerlicht, und ihre Türme ragen wie Lanzen in den Himmel. Man sagt, sie wurden nicht gebaut, sondern aus der Steppe selbst geboren, als Symbol der menschlichen Herrschaft über das Land.
Aus der Ferne wirkt Varethor still, erhaben – doch wer durch ihre Tore tritt, spürt den Pulsschlag eines Reiches, das niemals ruht.
Auf den Basaren hallt das Rufen der Händler, die Düfte von Gewürzen, Öl und Metall mischen sich zu einem betäubenden Nebel. Diplomaten aus fernen Ländern flüstern in schattigen Innenhöfen, während Adlige auf stolzen Rossen durch die Straßen reiten, begleitet von ihren Wappen und Wachen. Und in den dunklen Gassen – dort, wo das Licht der Laternen zittert – fließt manchmal Blut leiser als Wasser.
Denn Varethor ist mehr als Glanz.
Es ist eine Bühne aus Marmor und Lüge.
Im Zentrum der Stadt thront die Halle des Fürstenrates. Hier versammeln sich die Mächtigen der Steppe – jeder mit seinem eigenen Banner, seinem Stolz, seinen Feinden. Intrigen, Bündnisse und Verrat wechseln hier schneller als die Winde über Elenar. Kein Eid wird in Varethor gesprochen, ohne dass ein Dolch im Schatten bereitliegt.
Nur wenige Schritte entfernt erhebt sich die große Arena, wo Schwertduelle entschieden werden – Ehre, Schuld, oder schlicht das Schicksal eines Hauses. Das Blut auf ihrem Sand ist niemals ganz getrocknet.
Über allem wacht die ehrwürdige Weiße Bibliothek, ein Tempel des Wissens, in dem jedes Gesetz, jede Blutlinie, jede Schuld verzeichnet ist. Die Gelehrten, die dort arbeiten, sind gefürchteter als manch Krieger – denn sie kennen die Geheimnisse, die Reiche stürzen können.
Und doch – trotz aller Schatten, trotz der Gier und des Goldes – steht Varethor wie ein Juwel in der Steppe.
Wenn der Abend kommt und die Sonne in den Mauern brennt, dann leuchtet die Stadt wie flüssiges Silber, und der Wind trägt den Duft von Blüten – weißen Rosen, dem Symbol des Rates.
Sie sagen, jede dieser Rosen sei mit dem Blut eines Verräters gegossen worden.
Und vielleicht – nur vielleicht – ist genau das der Grund, warum Varethor noch immer strahlt.
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