Die geheimnisvolle Bezahlung in Varethor

 Die geheimnisvolle Bezahlung in Varethor

 

Varethor – die Weiße Stadt im Herzen von Elenar – lag im warmen Licht der Nachmittagssonne, ihre weißen Steintürme funkelten wie geschliffene Kristalle über der endlosen Steppe. Händler, Reiterfürsten, Pilger, Barden und Glücksritter strömten durch die hohen Tore, und mittendrin bewegte sich ein junger Mann mit windzerzaustem Haar, federndem Schritt und einem schelmischen Grinsen: Kiwa Leichtfuß, Gaukler, Akrobat und Geschichtensammler.

Als er am Platz der Halle der Stimmen ankam – jenem Ort, an dem sich in Varethor die Menschen für Musik, Geschichten und Magie versammelten – blieb er stehen, sog die warme Luft ein und fühlte dieses vertraute Kribbeln in den Fingerspitzen.

Heute würde er spielen. Und er fühlte: Es würde ein besonderer Tag werden.

Der Auftritt – voller Glanz, Chaos und Kiwa-Magie

Ein paar Kinder hatten ihn sofort erkannt.
„Der Jongleur aus Laufen! Der mit den verrückten Tricks!“ rief eines von ihnen.
„Der mit der Stimme, die sogar Pferde beruhigt!“ ergänzte ein anderes.

Kiwa tat so, als hätte er nichts gehört – dann sprang er plötzlich mit einem Satz auf einen der niedrigen Brunnenränder.
Mit einem Zwinkern zog er drei bunte Holzkugeln aus seiner Tasche, warf sie hoch… und ließ sie scheinbar in der Luft stehen.

„Zauberei!“ rief jemand.

„Nur Geschicklichkeit,“ antwortete Kiwa und schob den Ärmel ein Stück nach oben, als wolle er beweisen, dass er keine Tricks verwendete.

Damit begann seine Show:
Er wirbelte durch die Menge, balancierte auf einem Seil, das er zwischen zwei Pfosten gespannt hatte, ließ seine Kugeln wie kleine Planeten umeinander kreisen und sprang am Ende in einer federleichten Drehung auf den Boden, ohne das leise Plopp zu unterdrücken, das immer erklang, wenn er landete.

Die Menschen applaudierten begeistert.
Die Kinder kreischten vor Freude.
Ein paar Händler warfen sogar Kupferstücke in seinen Hut, und Kiwa fing eines davon mit den Zehen auf – ohne hinzusehen.

Dann setzte Kiwa zu seinem großen Finale an.
Er holte ein schmales Stück Stoff hervor, warf es in die Luft und ließ es tanzen wie eine kleine lebendige Fahne. Mit einer flinken Handbewegung wickelte er es sich um den Arm, machte einen Rückwärtssalto – nur um schließlich in einer perfekten, tiefen Verbeugung zu landen.

Der Platz tobte.

Ein Fremder im Mantel

Während Kiwa sich bedankte, fiel ihm eine Gestalt auf, die sich nicht bewegte wie die anderen.
Ein hochgewachsener Mann, oder vielleicht eine Frau – schwer zu sagen –, in einen hellen Mantel gehüllt, stand am Rand des Platzes. Die Kapuze verdeckte das Gesicht vollständig.

Kiwa beobachtete ihn.
Der Fremde applaudierte nicht.
Er wirkte… wartend.

Nachdem sich die Menge langsam verzogen hatte, trat die Gestalt auf Kiwa zu.

Die Stimme war ruhig, weder alt noch jung:
„Ein bemerkenswerter Auftritt, Kiwa Leichtfuß aus Laufen.“

Kiwa grinste. „Das hoffe ich doch! Sonst hätte ich mir das Salto-auf-steinernem-Boden-Manöver sparen können. Mein Rücken verzeiht nicht alles.“

Der Fremde neigte leicht den Kopf. „Ich habe eine Bezahlung für dich.“

„Aha!“ Kiwa griff nach seinem Hut. „Kupfer, Silber, Gold… ich nehme alles, was klimpert.“

Doch anstelle von Münzen reichte die Gestalt ihm ein kleines, flaches Holzkästchen. Kein Metall, keine Verzierungen – nur eine einfache Rune, die Kiwa nicht kannte.

„Für deinen Auftritt… und für das, was noch kommen wird.“

Bevor Kiwa eine Frage stellen konnte, drehte sich die Person um und verschwand in der Menge – nicht laufend, nicht eilend… sondern fast lautlos, wie Nebel, der sich mit der Luft vermischt.

Kiwa starrte dem Fremden hinterher.

„Das ist jetzt nicht euer Ernst,“ murmelte er und öffnete vorsichtig das Kästchen.

Darin lag kein Geld.

Sondern ein kleiner, glatter Stein, der im Licht der untergehenden Sonne schwach zu leuchten begann. Auf ihm dieselbe Rune wie auf dem Deckel.
Und darunter – zusammengefaltet – ein winziges Stück Pergament:

„Wenn das Licht ruft, folge ihm.
Der Weg hat bereits begonnen.“

Kiwa blinzelte.
Dann schloss er das Kästchen und steckte es unter seine Weste.

„Na wunderbar,“ seufzte er. „Jetzt schicken mir schon mysteriöse Mantelmenschen Orakelsteine.
Ich wollte doch nur ein bisschen Jonglieren und vielleicht Freigetränke abstauben.“

Er sah zum Himmel, dann zur Stadt und schließlich zu seinen Füßen.

„Aber gut… Kiwa Leichtfuß liebt Abenteuer. Und wenn das hier der Anfang von einem ist… dann soll’s so sein.“

Mit einem schelmischen Grinsen schulterte er seinen Rucksack und machte sich auf den Weg in die Straßen der Weißen Stadt – ahnungslos, dass dieser seltsame Stein sein Leben in Elenar für immer verändern würde

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