Tharon der Zentaure
Der Ruf des Windes
Eine Geschichte aus den Ebenen von Elenar
Der Abend lag schwer über der Steppe. Das Gras wogte in langen, trägen Wellen, golden und grau zugleich im letzten Licht der Sonne. Fern rief ein Vogel, dann verstummte alles – nur der Wind blieb, flüsternd, suchend.
Aus dem Dunst der Ferne trat eine Gestalt hervor. Erst ein Schatten, dann der Klang schwerer Hufe auf trockenem Boden. Tharon. Sohn des Windes. Sein Blick schweifte über das Land, als könnte er die Erinnerung selbst sehen – alte Lagerstätten, vergessene Feuer, Stimmen, die nur noch der Wind trug.
Er blieb an einem Hügel stehen, auf dessen Spitze ein einzelner Stein ragte. Die Runen darauf waren vom Sand beinahe ausgelöscht. Tharon beugte sich, legte die Hand auf das Gestein, und leise sprach er Worte, die kaum noch einer kannte: „Elenar atmet. Wir sind nicht vergessen.“
Der Wind antwortete. Erst leise, dann stärker. Es war, als ob die Steppe selbst ihn erkannte – ein Raunen, ein Wispern in alter Sprache. Und irgendwo in der Ferne galoppierten Hufe, unsichtbar, doch deutlich zu hören.
Tharon richtete sich auf. Sein Blick war nach Osten gerichtet, dorthin, wo die Steppe in graue Nebel überging. Dort, so erzählte man, lag das Land der Stille – ein Ort, an dem selbst der Wind schweigt. Manche sagten, dort seien die letzten Stimmen der Zentauren gebunden.
Er hob die Lanze, das Holz alt und glatt von unzähligen Reisen, und murmelte: „Wenn der Wind ruft, muss einer antworten.“
Dann ritt er weiter – ein Schatten gegen das Abendrot. Kein Ziel, kein Heim. Nur die Steppe und das Lied des Windes, das ihn rief.
Manche sagen, wer in den Nächten von Elenar den Sturm hört, der höre darin den Hufschlag eines einsamen Wächters. Und andere schwören, sie hätten ihn gesehen – auf den Hügeln über dem Scherbenmeer, am Rand der Nebelberge oder an den uralten Steinkreisen des Westens.
Denn Tharon zieht weiter. Immer.
Solange der Wind die Gräser bewegt, wird sein Name durch Mydor getragen.
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